Vor kurzer Zeit bemalte Josef einen unserer Gemüse-Kästen und schenkte mir eines seiner Bücher. Gestern traf ich ihn auf der Fußgänger-Brücke nahe der Keimzelle und wir guckten auf die Gleise der U-Bahn Station Feldstraße.
Josef hatte sein Fahrrad dabei, auf dem Gepäckträger eine leere Dose und eine Plastikflasche. Er nahm Dose und Flasche und warf sie demonstrativ auf das Metall-Gitter oberhalb der U-Bahnschienen. Ich fragte ihn, was die Aktion zu bedeuten habe, schließlich stehe knapp hinter ihm ein Mülleimer. Er antwortete mir, dass die Angestellten des HVV den Müll wegmachen müssten, es wäre schließlich ihr Job.
„Wenn sie bunte Bilder überstreichen, dann können sie auch den Müll wegmachen.“
Josef und ich standen schon oft auf der Brücke und jedesmal regte er sich über die
graue Wand an der linken Seite auf. „Da muss wieder was hingeschrieben werden. Mit Teleskopstock und Farbrolle oder mit Farbe gefülltem Feuerlöscher. Die HVV-Nazis streichen die bunten Bilder doch nur weg, um uns zu provozieren. Dabei waren die beiden gemalten Gesichter so schön.“ Er guckte mich ernst an. „Was für ein Mensch muss man sein, wenn man sowas macht, alles grau haben möchte? Das ist ein Grau wie im dritten Reich.“ Das Überstreichen der beiden letzten Graffiti-Bilder an der linken Wand war eine
erneute Bestätigung für Josef, der alle Angestellten des HVV ohne Ausnahme als
Sauber-Nazis bezeichnete. Während er sein Fahrrad neben mir schob und wir uns auf
die Keimzelle zubewegten, erzählte er mir von einem früheren Erlebnis. Er wurde auf
frischer Tat an den Gleisen von Mitarbeitern des HVV erwischt und bekam von einem Sicherheitsmann stolz zu hören, dass dessen Oma die Aufsicht in einem Konzentrationslager gehabt hätte. „So Menschen wie dich hätten wir damals vergast.“
Vielleicht war das mit einer der Gründe warum er, selbst während wir uns
unterhielten, ständig freie Flächen anvisierte und mit schwarzen Kringeln bemalte.
Er konnte gar nicht anders und es schien mir, als wenn das Bemalen von grauen
Flächen für ihn eine Pflicht, eine Tätigkeit war, die gemacht werden musste.
Gestern Abend gingen wir an der Karo-Ecke auseinander, Josef hatte noch was vor.
„Man darf nicht aufgeben. Abwarten und Tee trinken.“ sagte er, gab mir die Hand,
stieg aufs Fahrrad und fuhr davon.
Es ist bitter, dass er gestorben ist. Für mich war er mehr Aktivist denn „Graffiti-Künstler.“ Ich respektiere zutiefst seinen Kampf gegen die zunehmende Konformität und Glattheit in dieser Stadt. Seine Bilder gehören für mich nicht in Galerien oder hippe Wohnzimmer, sie gehören auf die Straße.
R.I.P. OZ
Ruhe in Frieden, Josef.