Ein Tag vor der historischen Europawahl

Schau: Sie atmet.
Ruhig und etwas unregelmäßig.
Aber in praxi beständig.
Denn sie keimt.
Die KEIMZELLE.

Zucchinis sind am Start, Tomaten kommen am Wochenende hinzu, die Kartoffeln von letztem Jahr schießen mit kräftigem Trieben aus der Erde, auch die nichtessbare Physalis ist wieder gekommen, die Rauke scheint in ihrem Minibeet sehr zufrieden zu sein, jedenfalls wächst sie prächtig, der stolze Rharbarbar-Tralala, der uns seit 2011 begleitet und mit Hoffnung versorgt, wurde schon von irgend jemandem geerntet, die geretteten Zwiebeln sind munter, einige der Erbsen haben die Taubenattacke überlebt, die Himbeere lebt, der Topinambur ist inzwischen überall und wird als Rhizom – also durch die subversive Vernetzung – vielleicht das Ganze übernehmen. Außerdem gedeihen die Wildrose, die Schlehe, Gojibeerensträuche – vielleicht ist es besser, nicht alles, was da in St. Paulis lebhaftesten Zelle wächst und wildert, zu nennen. Es könnte ja den Verfassungsschutz oder zumindest ähnlich wachsame Kontrollgänger mehr als erforderlich interessieren… Kurz und gut: In unseren Ländereien tobt und gedeiht das erdverbundene Leben. Und alle lieben sie. Die KEIMZELLE.

Zuletzt war es still geworden um das Projekt. Seit einigen Jahren „vegetiert es so vor sich hin“. Vielleicht sehen so nachhaltiges Wachstum und stiller Wandel aus – naja, ein paar Neueinpflanzungen mussten in diesem Frühjahr wieder von außen hineingesteckt werden. An dieser Stelle ein nachträgliches Dankeschön an den Quartiersbeirat Karoviertel für die kleine Geldspende und Anerkennung, die diesen überlebenswichtigen Nachwuchs fördern hilft.

Wer sich an der KEIMZELLE beteiligen will, schaut am besten sonntags nachmittags mal vorbei. Für den Rest der Tage gilt, was für diesen „Guten Ort“ oder, wir berichteten, was für diese EUTOPIE, immer schon gegolten hat: Er gehört denen, die sich um ihn und seine transformativen Kräfte kümmern. Vielleicht also bis bald! Am morgigen Sonntag ist Keimzellenwahl…

Urban Gardening Keimzelle St. Pauli Hamburg 2019

Frisches Radieschen aus der Keimzelle, 19. Mai 2019

Und Europawahl. Was bei dieser gesellschaftspolitischen Richtungswahl auf dem Spiel steht, ist allen bewusst! Ach ja, beides, Europa und Keimzelle, hängt miteinander zusammen: Entscheidend ist, nicht zuzuschauen, sondern diejenigen transformativen Kräfte zu nutzen, ohne die unsere „Utopie eines guten Lebens für alle“ weder in ganz Europa (Europia) noch in der KEIMZELLE (Eutopia) weiter wachsen kann.

Für alle, die über die aktuelle Situation der KEIMZELLE noch mehr wissen wollen, gibt’s als Fortsetzung demnächst an dieser Stelle eine kurze Selbstreflexion im Großen und Ganzen – insbesondere wird das große Entsetzen artikuliert, wie es sein kann, dass die jüngsten Entwürfe einer solchen zukunftsweisenden UTOPIE die KEIMZELLE weder in Gänze noch in Teilen erwähnen… Im Ernst: Wie soll das gehen, eine bessere Gesellschaft und kein (mindestens sonntägliches) gemeinsames Gärtnern vor Ort?

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